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Bundesministerium für Gesundheit unterliegt in Streit um Aufsichtsverfügung gegen GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung

- Erschienen am 30.09.2021 - Presemitteilung 20210930

Der 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 22. September 2021 eine Beanstandungsverfügung aufgehoben, die das Bundesministerium für Gesundheit im Wege der Rechtsaufsicht gegen den Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung erlassen hat.

Gegenstand des Streits war ein Beschluss des Bewertungsausschusses vom 21. August 2018, der Vorgaben für die Ermittlung der diagnosebezogenen Veränderungsraten für das Jahr 2019 enthielt. Der Bewertungsausschuss wollte ein Korrekturverfahren zum Umgang mit außergewöhnlichen Prävalenzänderungen einführen; dieses Verfahren hätte Auswirkungen gehabt auf die Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen durch die regionalen Vertragspartner.

Das Bundesministerium für Gesundheit beanstandete diesen Beschluss im Wege der Rechtsaufsicht, weil es den Bewertungsausschuss nicht für befugt hielt, eine derartige Regelung zu treffen. Hierauf korrigierte der Bewertungsausschuss seine Entscheidung. Allerdings erhoben die Trägerorganisationen des Bewertungsausschusses, der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Klage gegen die Beanstandungsverfügung, für die das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig ist (L 7 KA 47/18 KL). Mit Urteil vom 22. September 2021 hat der 7. Senat festgestellt, dass die Beanstandungsverfügung rechtswidrig war.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung betont, dass im Wege der Rechtsaufsicht vom Ministerium nur geprüft werden dürfe, ob sich das Handeln des Bewertungsausschusses im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt oder ob es schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Hieran gemessen sei der Beschluss des Bewertungsausschusses nicht zu beanstanden, denn es sei gut vertretbar, den einschlägigen Regelungen in § 87a SGB V eine entsprechende Ermächtigung des Bewertungsausschusses zu entnehmen. Das Bundesministerium für Gesundheit hätte im Wege der Rechtsaufsicht nicht seine abweichende – auch vertretbare – Rechtauffassung hierzu durchsetzen dürfen, denn hierin liege letztlich ein Akt der (weitergehenden) Fachaufsicht, die dem Ministerium aber gerade nicht eingeräumt sei. Zudem sah der Senat die Beanstandungsverfügung auch schon deshalb als rechtswidrig an, weil sie nicht erkennen lasse, ob das Ministerium bei ihrem Erlass überhaupt Ermessen ausgeübt habe.

Der 7. Senat hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Die schriftlichen Entscheidungsgründe finden Sie hier: Urteil des 7. Senats zum Aktenzeichen L 7 KA 47/18 KL

Hintergrund: Bei der vorliegenden Klage handelt es sich nicht um den ersten Streit um eine Beanstandungsverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit gegen den Bewertungsausschuss. Bereits in einem Urteil vom 10. April 2019 hatte der 7. Senat über eine Beanstandungsverfügung zu entscheiden und hier die Klage der Trägerorganisationen im Wesentlichen abgewiesen (L 7 KA 35/16 KL). Gegenstand war die Frage, ob der Bewertungsausschuss Genehmigungsvorbehalte für die Erbringung humangenetischer Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab einführen durfte.

Das dagegen eingeleitete Revisionsverfahren (B 6 A 1/19 R) erledigte sich, nachdem der Bewertungsausschuss die streitigen Regelungen aufgehoben hatte. In seinem ausführlichen Beschluss zu den Kosten des Verfahrens führte der 6. Senat des Bundessozialgerichts allerdings aus, dass die Bundesrepublik Deutschland die Kosten zu tragen habe, weil die Aufsichtsverfügung rechtswidrig gewesen sei. Die Entscheidungen des Bewertungsausschusses seien nämlich rechtlich nicht zu beanstanden gewesen.


Für Rückfragen:
RLSG Dr. Thomas Drappatz, Pressesprecher,
RLSG Ole Beyler, stellv. Pressesprecher,
Tel.: 0331/9818-3300/-4131/-4156 -- Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de