Vier Entscheidungen zur Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses
- Erschienen am - PresemitteilungDer 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hatte heute erstinstanzlich über vier Klagen aus gesundheitsrechtlichem Zusammenhang unter Beteiligung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu entscheiden. In zwei Streitigkeiten fungierte der G-BA als Kläger. Hier wandte er sich gegen Beanstandungsverfügungen, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Ausübung seiner Rechtsaufsicht über den G-BA erlassen hatte. In einem Fall obsiegte der G-BA, in dem anderen das BMG: In dem Verfahren L 9 KR 309/12 KL hatte das BMG einen Beschluss des G-BA vom 16. Februar 2012 beanstandet, mit dem dieser eine Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme für Asthma und COPD vorsah. Der 7. Senat bestätigte die Beanstandungsverfügung des BMG und wies die Klage des G-BA ab, weil § 34 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln „zur Raucherentwöhnung“ zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung strikt ausschließe und Ausnahmen hierfür nach geltendem Recht nicht in Betracht kämen. Das Rechtsmittel der Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. In dem Verfahren L 7 KA 44/11 KL obsiegte hingegen der G-BA, denn der 7. Senat hielt die Beanstandungsverfügung des BMG für rechtswidrig. Hier hatte das BMG einen Beschluss des G-BA vom 17. Juni 2010 zur Verordnungseinschränkung von Gliniden zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 beanstandet. Hintergrund der Streitigkeit war eine Meinungsverschiedenheit zwischen G-BA und BMG zu den im Jahre 2010 geltenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung eines solchen Verordnungsausschlusses. Der 7. Senat hielt die Beanstandungsverfügung schon für formell rechtswidrig, weil das BMG die für eine Beanstandungsverfügung nach § 94 SGB V geltende Frist von zwei Monaten überschritten habe. Das BMG habe rechtswidrig versucht, die Beanstandung des Beschlusses des G-BA vom 17. Juni 2010 bis nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) am 1. Januar 2011 zu verzögern. Die Revision zum Bundessozialgericht wurde hier zugelassen. In einem dritten Klageverfahren (L 7 KA 33/12 KL WA) stritt ein Arzneimittelhersteller um die Verordnungsfähigkeit des apothekenpflichtigen und verschreibungsfrei erhältlichen homöopathischen Arzneimittels Otovowen®, das oral in Tropfenform verabreicht Potsdam, 27. Mai 2015 LSG Berlin-Brandenburg, Försterweg 2-6, 14482 Potsdam - 2 - wird und der Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung und Schnupfen dient. Der 7. Senat wies die Klage ab. Zu Recht habe der G-BA Otovowen® als Otologikum (Arzneimittel zur Behandlung von Ohrenleiden) angesehen, für das die Arzneimittel-Richtlinien einen Ausschluss der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auch für Kinder und Jugendliche vorsähen. Die Regelung der Arzneimittel-Richtlinien sei auch nicht rechtswidrig, weil der therapeutische Nutzen von Otovowen® bzw. die Zweckmäßigkeit dieses Arzneimittels nicht nachgewiesen seien. Die Revision zum Bundessozialgericht wurde auch hier zugelassen. Im letzten Verfahren (L 7 KA 113/12 KL) fungierte die Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e.V. als Klägerin. Diese ist eine ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft auf dem Gebiet der anthroposophischen Medizin und stellungnahmeberechtigter Dachverband der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen im Sinne von § 92 Abs. 3a SGB V. Der Streit mit dem G-BA betraf die Reichweite der gesetzlichen Stellungnahmerechte der Klägerin. Sachlicher Hintergrund des Streits war eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie durch den G-BA und hier insbesondere die Frage, ob Mistel-Präparate nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren oder auch in der adjuvant-kurativen Therapie eingesetzt werden dürfen. Der 7. Senat wies die Klage ab, weil der G-BA die Stellungnahmerechte der Klägerin hinreichend beachtet habe. Auch hier wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Alle vier Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Texte der Entscheidungen werden in Kürze als Anlage zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg veröffentlicht werden:
Info:
Der Gemeinsame Bundesausschuss (Internet: www.g-ba.de) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland und untersteht der Rechtsaufsicht durch das BMG. Er bestimmt z.B. in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für etwa 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam besteht als gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht beider Bundesländer seit dem 1. Juli 2005. Nach § 29 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes ist es bundesweit ausschließlich zuständig u.a. für Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und für Klagen in Aufsichtsangelegenheiten über den G-BA.
Für Rückfragen: RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331/9818, App. 3300/4148/4133 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de