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Berliner Wohnaufwendungenverordnung (WAV) unwirksam

- Erschienen am 25.04.2013 - Pressemitteilung 20130425

Der 36. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in Potsdam hat heute die Berliner „Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“ vom 3. April 2012 (Wohnaufwendungenverordnung, WAV) und die dort vorgesehenen Gesamtangemessenheitsgrenzen („Leistungssätze für Unterkunft und Heizung“) für unwirksam erklärt.

In der WAV sind im Wesentlichen allgemeine Richtwerte festgelegt, bis zu denen Wohnkosten (Gesetzesbegriff: Bedarfe für Unterkunft und Heizung) für den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) jedenfalls übernommen werden. Im Normenkontrollverfahren nach § 55a Sozialgerichtsgesetz wird die Verordnung als solche und nicht der Einzelfall überprüft. Verhandelt wurde ein Antrag zweier Bezieher von Leistungen nach SGB II gegen das Land Berlin. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat die WAV für unwirksam erklärt, weil sie gegen höherrangiges Recht verstößt:

(1) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden für Leistungsberechtigte nach dem SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung, d. h. Miete und Heizkosten, anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dies wird in zwei Stufen getrennt für Miete und Heizkosten geprüft. Zunächst ist zu fragen, ob der geschuldete Betrag (bzw der auf das Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft entfallende Anteil) allgemein als angemessen gelten kann (abstrakte Angemessenheit). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob Gesichtspunkte des Einzelfalls (etwa besondere Bedarfslagen älterer oder behinderter Menschen, Umzugshindernisse oder die fehlende Verfügbarkeit von Wohnraum, der den abstrakt angemessenen Bedarf entspricht) höhere – konkret angemessene – Leistungen rechtfertigen.

(2) In § 4 WAV hat der Senat von Berlin abstrakt angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung als Summe aus den Werten für Bruttokaltmiete und Heizkosten bestimmt (so genanntes Bruttowarmmietenkonzept). Diese Verfahrensweise führt nur dann zu gesetzeskonformen Ergebnissen, wenn beide Werte richtig hergeleitet sind, d. h. ausgehend von tatsächlichen, nach der gesetzlichen Regelung als angemessen anzuerkennenden Bedarfen bestimmt werden. Dem genügt der herangezogene Heizkostenwert nicht. Denn es wurde eine Missbrauchsgrenze verwandt, die nicht darauf abzielt und nicht dazu geeignet ist, einen angemessenen Heizbedarf darzustellen. Die daraus folgende Verzerrung ist so gravierend, dass der Summenwert – also die in der WAV als Richtwert ausgewiesene angemessene Bruttowarmmiete – keinen Bestand hat.

(3) In der WAV kann immer nur bestimmt werden, welche Bedarfe abstrakt angemessen sind, denn konkret angemessene Bedarfe sind immer einzelfallbezogen zu bestimmen und vollständig anzuerkennen; sie können nicht pauschal festgelegt werden. Dagegen verstößt § 6 WAV, der für die dort genannten besonderen Bedarfslagen lediglich prozentual erhöhte Bedarfe vorsieht.

(4) Die zu (2) und (3) mitgeteilten Unwirksamkeitsgründe sind „methodischer Natur“, betreffen also nur die Wirksamkeit der WAV als Rechtsverordnung. Sie besagen nichts darüber, ob die Verwaltung die für unwirksam erklärten „Leistungssätze“ durch höhere, gleiche oder niedrigere Werte ersetzt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann dagegen Revision zum Bundessozialgericht eingelegt werden. Sobald die schriftlichen Entscheidungsgründe den Beteiligten bekannt gegeben sind, werden sie auf der Internetseite des Landessozialgerichts als Anlage zu dieser Pressemitteilung abrufbar sein.

Aktenzeichen: L 36 AS 2095/12 NK

Info:

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für die Entscheidung über die Gültigkeit der WAV erstinstanzlich zuständig aufgrund §§ 29 Abs. 2 Nr. 4, 55a Sozialgerichtsgesetz

Für Rückfragen: RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, Tel.: 0331-9818, App. 3300/4133/4148 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.d