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Erfreuliche Verstärkung der Sozialgerichte im Richterbereich - Sozialgerichtsbarkeit dennoch nicht sorgenfrei

- Erschienen am 18.01.2013 - Pressemitteilung 20130118

Die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg Monika Paulat hat sich heute in einem Pressegespräch zur Situation der Sozialgerichtsbarkeit in Brandenburg geäußert.

I. Entgegen dem Bundestrend sind an den Brandenburger Sozialgerichten – gemessen an den Vorjahren – die Klagen und Eilanträge weiter angestiegen. Zur Besorgnis Anlass gibt insbesondere der deutlich gestiegene Bestand anhängiger Verfahren. Auch im achten Jahr nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) ist – gegenüber dem Vorjahr – eine weitere Steigerung der Eingangszahlen zu vermelden, wenn auch nur um 2,3 Prozent (2011: 24.187; 2012: 24.747; davon rund zwei Drittel „Hartz IV“-Streitigkeiten). In den Jahren zuvor waren die Eingangzahlen jeweils im zweistelligen Prozentbereich gewachsen.

Erfreulich ist der Anstieg der Erledigungszahlen an den Sozialgerichten. Die Richterinnen und Richter haben mit 21.891 Sachen 5,3 Prozent mehr erledigt als noch im Jahre 2011. Diese Leistungssteigerung beruht auf der Aufstockung des Richterpersonals im Jahr 2012, die mit Abordnungen aus anderen Gerichtsbarkeiten begann. Ohne die Solidarität von Zivilund Arbeitsgerichtsbarkeit wäre sie nicht möglich gewesen. Auch das Landessozialgericht hat sich mit den Sozialgerichten solidarisch gezeigt; zum 1. Juni 2012 wurden ein Richter mit einer vollen und ein weiterer mit einer halben Arbeitskraft in die erste Instanz abgeordnet.

Trotz dieser Leistungssteigerung übertreffen aber auch in 2012 die Eingänge noch immer signifikant die Erledigungen mit der Folge weiteren Bestandsaufbaus. Waren es im Jahre 2005 15.416 offene Verfahren, warteten am 31. Dezember 2012 34.379 Verfahren auf ihre Erledigung (Anstieg gegenüber 2011 um 9,1 Prozent).

Dieses stetige Anwachsen des Aktenberges ist der eine Grund für die Sorgen der Sozialgerichtsbarkeit. Noch liegen offizielle Zahlen für 2012 über die durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten nicht vor. Im Jahre 2011 dauerten Klagen aus allen Rechtsgebieten durchschnittlich 15,6 Monate. Bei den „Hartz IV“-Klagen – d.h. in zwei Drittel aller Verfahren – betrug die Laufzeit nur 13,6 Monate. Eilverfahren wurden 2011 deutlich schneller erledigt, nämlich in 1,6 Monaten („Hartz IV“: 1,3 Monate). Schließt sich die Schere zwischen Eingängen und Erledigungen nicht, werden die Bestände weiter wachsen mit der wahrscheinlichen Folge langfristig zunehmender Verfahrenslaufzeiten.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die Präsidentin des Landessozialgerichts es sehr, dass die Zahl der an den vier Sozialgerichten tätigen richterlichen Arbeitskräfte von 61,35 am 1. Januar 2012 auf 72,725 am 1. Januar 2013 angehoben werden konnte. Besonders erfreulich ist, dass es Herrn Justizminister Dr. Schöneburg gelungen ist, im vergangenen Jahr vier neue Richterstellen für die Sozialgerichtsbarkeit zu schaffen, die zum Januar 2013 besetzt werden konnten.

Die Zahl der richterlichen Arbeitskräfte hat sich damit seit dem Jahr 2005 (Einführung der „Hartz IV“ - Gesetzgebung) mehr als verdoppelt (seinerzeit noch 34,5). Damit hat jedoch die Personalentwicklung im nichtrichterlichen Bereich nicht Schritt gehalten, und darauf gründet sich die zweite große Sorge der Gerichtsbarkeit. Es fehlen Geschäftsstellenmitarbeiterinnen und Kostenbeamte. Während im Jahr 2005 erstinstanzlich rund 64 nichtrichterliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tätig waren, hat sich deren Zahl bis zum 1. Januar 2013 zwar auch erhöht (auf 109 um 59,72 Prozent). Damit bleibt der Zuwachs aber deutlich hinter der mehr als verdoppelten Richterschaft zurück. Die Sozialgerichtsbarkeit ist deshalb dringend auf die personelle Verstärkung insbesondere ihres mittleren Dienstes angewiesen.

II. Als Berufungs- und Beschwerdegericht fand sich das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam bis etwa zur Mitte des letzten Jahres in einer insgesamt relativ stabilen Situation. Dies hat es dem Gericht ermöglicht, 1,5 richterliche Arbeitskräfte für die Dauer jeweils eines Jahres an die erste Instanz abzugeben.

Die Situation hat sich allerdings verändert. Auf das ganze Jahr gesehen sind bei dem Landessozialgericht die Eingänge zum ersten Mal seit Jahren signifikant um 13,4 Prozent gestiegen (5.822 gegenüber 5.134 im Jahre 2011). Zurückzuführen ist dies im Wesentlichen auf eine sehr starke Zunahme an „Hartz IV“-Streitigkeiten nun auch bei dem Landessozialgericht: Gab es 2011 noch 2.155 Verfahren aus diesem Bereich (gleich 42 Prozent aller Neueingänge), waren es im Jahre 2012 2.931 neue Verfahren (50,3 Prozent aller Neueingänge). 

Die Erledigungsquote ist auch beim Landessozialgericht gestiegen, nämlich um 6,8 Prozent auf 5.499. Auch hier ist – wie in der ersten Instanz – nunmehr zu konstatieren, dass die Neueingänge die Erledigungen deutlich übersteigen. Im Jahre 2012 hat sich dies auf die Bestände ausgewirkt, die um 323 (und damit um 6,3 Prozent) auf 5.475 gestiegen sind. Sofern dieser Negativtrend anhalten sollte, ist auch für das Landessozialgericht zu befürchten, dass Verfahrenslaufzeiten wieder länger werden und der in der jüngeren Vergangenheit zu verzeichnende erfolgreiche Abbau von Beständen und Altverfahren nicht anhalten wird.

Info:

Das Landessozialgericht veröffentlicht jährlich im Laufe des März/April einen Geschäftsbericht zum abgelaufenen Geschäftsjahr mit ausführlichen Statistiken und detaillierten Berichten aus allen Sparten der Rechtsprechung. Auf der Internetseite des Gerichts (http://www.lsg.berlin.brandenburg.de) sind derzeit die Geschäftsberichte bis einschließlich 2011 abrufbar. Auf der Internetseite sind ebenfalls diverse Pressemitteilungen zu verschiedenen wichtigen im Jahre 2012 abgeschlossenen Verfahren dokumentiert, z.B. in Bezug auf Festbeträge für Arzneimittel und den Streit um die Übergangsgelder für die Vorstandsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, außerdem über die Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen der Sozialgerichtsbarkeit in Brandenburg am 25. April 2012. Das Sozialgericht Berlin, für das das Landessozialgericht in Potsdam ebenfalls als Berufungs- und Beschwerdegericht fungiert, hat in einer Pressekonferenz vom 10. Januar 2013 gesondert über seine Situation berichtet. Die Ansprache der Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, Frau Sabine Schudoma, ist dokumentiert unter http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/sg/presse/archiv/20130110.1700.380046.html 

Für Rückfragen:

RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331/9818-3300 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.d