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Neujahrsempfang der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Monika Paulat: Sozialgerichte in Berlin und Brandenburg weiter extrem belastet

- Erschienen am 12.01.2011 - Pressemitteilung 20110112

Anlässlich ihres Neujahrsempfangs am 12. Januar 2011 in den Räumen des Potsdamer Landessozialgerichts zog Monika Paulat Bilanz über die Arbeit der Sozialgerichtsbarkeit in Berlin und Brandenburg im abgelaufenen Jahr 2010.

Gute Nachrichten aus dem Landessozialgericht: Die offenen Verfahren am Jahresende waren mit 5173 erneut niedriger als im Vorjahr (5416, Abnahme um 4,5 Prozent); der seit 2007 zu verzeichnende Abwärtstrend (seinerzeit noch 6201 offene Verfahren am Jahresende) setzt sich damit fort. Mit dem Bemühen um schwerpunktmäßige Erledigung von Altverfahren und gleich bleibender Richterzahl von 58 dürfte damit mittelfristig eine deutliche Verkürzung der Verfahrensdauer zu erwarten sein. Die Neueingänge an Berufungen, Beschwerden und sonstigen Verfahren nahmen mit zwei Prozent maßvoll zu.

Weniger positive Nachrichten aus den erstinstanzlichen Sozialgerichten:

Im Jahr 2010 gingen bei dem Sozialgericht Berlin 43.951 neue Streitsachen ein, rund 5.000 mehr als im Vorjahr und doppelt so viele wie noch im Jahr 2005. Von den neuen Streitsachen entfielen 30.369 (69 Prozent) auf den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“). Gleichzeitig hat das Gericht seine Spitzenstellung als größtes Sozialgericht Deutschlands weiter ausgebaut: Zu den 102 Richterinnen und Richtern am 1. Januar 2010 sind im vergangenen Jahr erfreulicher Weise 24 hinzugekommen, so dass sich nunmehr 126 Kolleginnen und Kollegen der Verfahrensflut entgegen stemmen.

Erneuter Anstieg der Verfahrenszahlen auch bei den vier Sozialgerichten Brandenburgs erster Instanz in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam: Neu eingegangen sind hier insgesamt 21.367 Streitsachen (5,8 Prozent mehr als im Vorjahr), davon 12.392 (58 Prozent) aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zu den insgesamt 52 Richterinnen und Richtern am 1. Januar 2010 sind über das Jahr 10 Kolleginnen und Kollegen hinzu gekommen.

Während am Sozialgericht Berlin das Verhältnis der Anzahl der Richter zu den am Jahresende noch unerledigten Streitsachen verhältnismäßig günstig ist (126 zu 38.927, entspricht 309 Verfahren pro Richter), stellt sich die Situation an den Sozialgerichten Brandenburgs noch immer Besorgnis erregend dar (62 zu 28.108, entspricht 453 Verfahren pro Richter).

Die nicht abebbende Welle neuer Hartz IV-Streitigkeiten trifft die Sozialgerichte damit nach wie vor mit voller Wucht; die derzeitigen Gesetzgebungsbemühungen werden wohl nicht zu einer Entschärfung beitragen. Die Gerichte werden der Verfahrensflut vor allem in Brandenburg nur mit größter Mühe Herr; Folge ist eine längere Verfahrensdauer gerade auch in den klassischen Bereichen der Sozialversicherung wie Renten- Kranken- oder Unfallversicherung.

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Wie stets stellte die Präsidentin des Landessozialgerichts ihren Worten zum Neujahrsempfang ein Jahresmotto voran.

Es lautet für das Jahr 2011: Mit Ruhe und Gelassenheit die Herausforderungen der Zukunft annehmen

Die Sozialgerichtsbarkeit muss dem in den letzten Jahren zu beobachtenden Hamsterradeffekt entgegen steuern. Gerade in Zeiten hoher Belastung heißt es, ruhig und gelassen zu bleiben. In der Rechtsprechung müssen Quantität und Qualität in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Anspruchsvolle Rechtsprechung darf nicht nur das Ziel verfolgen, hohen Erledigungszahlen nachzujagen. Die Rechtsuchenden haben sicher Anspruch auf zeitnahe Entscheidungen; sie haben aber auch Anspruch auf qualitativ hochwertige Rechtsprechung, die sich die Zeit nimmt zuzuhören und kluge, nachvollziehbar begründete Entscheidungen trifft.

Eine deutliche Absage erteilte Frau Paulat der jüngst im Brandenburger politischen Raum wieder einmal laut gewordenen Forderung nach einer Zusammenlegung von Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die über Jahrzehnte gewachsene, gut funktionierende Struktur einer differenzierten Fachgerichtsbarkeit dürfe nicht zerstört werden; die mit einer Justizreform dieses Ausmaßes einher gehenden Reibungsverluste seien nicht hinnehmbar.

Info:

Das Landessozialgericht veröffentlicht jährlich im Laufe des März einen Geschäftsbericht zum abgelaufenen Geschäftsjahr mit ausführlichen Statistiken und detaillierten Berichten aus allen Sparten der Rechtsprechung. Auf der Internetseite des Gerichts (http://www.lsg.berlin.brandenburg.de) sind derzeit die Geschäftsberichte bis einschließlich 2009 abrufbar.

Für Rückfragen:

RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331/9818-3300 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de

Anhang:

Drei Grafiken zur Geschäftsentwicklung des Landessozialgerichts BerlinBrandenburg, des Sozialgerichts Berlin und der Sozialgerichte Brandenburgs