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Krankenhäuser obsiegen vorläufig im Streit mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss um die Erhöhung von Mindestmengen für die Versorgung Frühgeborener

- Erschienen am 26.01.2011 - Pressemitteilung 20110126

Der 7. Senat des Landessozialgerichts in Potsdam hat heute auf mündliche Verhandlung hin eine vorläufige Entscheidung im Streit um die Erhöhung von Mindestmengen für die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm getroffen; die Krankenhäuser haben obsiegt; bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts über die Klagen in der Hauptsache bleibt es bei der bis Ende 2010 geltenden Mindestmenge von 14. Die für die Zeit ab 1. Januar 2011 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) eingeführte Mindestmenge von 30 wurde im Rahmen mehrerer Eilverfahren außer Vollzug gesetzt.

Mindestmengen für stationäre Krankenhausleistungen dienen nach der gesetzgeberischen Intention der Qualitätssicherung. Es gibt sie z.B. im Bereich der Leber- und Nierentransplantation sowie der Knieprothetik. Wird ein Krankenhaus die auf ein Jahr bezogene Mindestmenge voraussichtlich nicht erreichen, darf es die Leistung nicht erbringen.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2010 hatte der GBA bereits eine Mindestmenge von 14 für die stationäre Behandlung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm eingeführt. Durch Beschluss vom 17. Juni 2010 erhöhte er diese Mindestmenge mit Wirkung vom 1. Januar 2011 auf 30. Hiergegen haben etwa 30 Kliniken aus dem gesamten Bundesgebiet Klage erhoben und gleichzeitig Eilanträge mit dem Ziel gestellt, die Neuregelung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die Kliniken, die jeweils mehr als 14, aber weniger als 30 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm versorgen und bislang den Status eines Perinatalzentrums des Level 1 erfüllten, wenden sich gegen die beabsichtigte Zentralisierung der Versorgung und halten die verschärfte Mindestmengenregelung für nicht mit dem Gesetz vereinbar.

Der 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, der den Vollzug der Neuregelung schon durch Zwischenverfügungen vom Dezember 2010 gestoppt hatte, gab den Eilanträgen mit folgender Begründung statt:

Derzeit sei nicht nachvollziehbar, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Mindestmenge vorlägen. So bestünden schon Bedenken, ob die Versorgung Frühgeborener überhaupt „planbar“ im Rechtssinne sei, denn die Versorgung Frühgeborener resultiere eher aus einer Notfallsituation, der Planbarkeit im herkömmlichen Sinne abgehe. Auch sei die vom Gesetz geforderte „besondere“ Abhängigkeit der Leistungsqualität von der Leistungsmenge derzeit nicht hinreichend belegt; in diesem Zusammenhang habe auch das vom GBA mit einem Bericht beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) betont, dass kausale Zusammenhänge zwischen Leistungsmengen und Leistungsqualität im Bereich der Versorgung Frühgeborener nicht nachweisbar seien. Den Bezug der Mindestmenge zur Gruppe der Frühgeborenen unter 1.250 Gramm sah der Senat zudem als willkürlich an; nicht nachvollziehbar sei, warum der GBA nämlich gleichzeitig jegliche Mindestmenge für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht zwischen 1.250 und 1.500 Gramm aufgegeben habe.

Unabhängig davon sei die vorläufige Außervollzugsetzung der Mindestmenge von 30 aber auch aufgrund einer Folgenabwägung geboten. Der Vollzug der Neuregelung führe zur sofortigen Zerschlagung funktionsfähiger Perinatalzentren des Level 1. Bei etwaigem späterem Obsiegen im Hauptsacheverfahren werde ein schwieriger Neuaufbau nötig. Demgegenüber sei eine vorläufige Weitergeltung der Mindestmenge von 14 hinnehmbar, denn nichts sei dafür ersichtlich, dass die Versorgung Frühgeborener bei Geltung dieser geringeren Mindestmenge nicht in gebotener Qualität gesichert sei.

Info:

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA; Internet: www.g-ba.de) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt z.B. in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für etwa 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV übernommen werden. Außerdem erlässt der GBA Richtlinien und Beschlüsse zur Qualitätssicherung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung und der Krankenhausbehandlung. § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V als Rechtsgrundlage der im Verfahren streitigen Mindestmenge lautet:

Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über

(2.) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam (Internet: www.lsg.berlin.brandenburg.de) besteht als gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht beider Bundesländer seit dem 1. Juli 2005. Nach § 29 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist es bundesweit ausschließlich zuständig u.a. für Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Im Eilverfahren sind seine Beschlüsse gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.

Für Rückfragen:

RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331/9818, App. 3300/4133/4148 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de