Toolbar-Menü

Landessozialgericht: AOK Berlin-Brandenburg darf exklusive Verträge mit Apotheken zur Versorgung ihrer Patienten mit Zytostatika in Berlin schließen

- Erschienen am 23.11.2010 - Pressemitteilung 20111123

Die AOK Berlin-Brandenburg hatte im Januar dieses Jahres erstmalig in Deutschland die Beschaffung von Arzneimitteln zur Versorgung ihrer Patienten mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie (überwiegend Zytostatika in Lösungen zur Injektion für die so genannte Chemotherapie) exklusiv ausgeschrieben. Die Vertragsärzte („Kassenärzte“) in Berlin sollen nun – aufgeteilt in dreizehn Gebiete – die Medikamente ausschließlich bei einer Apotheke beziehen. Bislang tragen die Herstellerapotheken kein Risiko für Preisanstiege bei den Arzneimitteln und erhalten eine Vergütung für jede konkrete Herstellung nach Maßgabe der einzelnen Verordnung. Jetzt sollen die Ausschreibungsgewinner nur noch nach gelieferten Wirkstoffmengen bezahlt werden, unabhängig sowohl vom Arzneimittelpreis selbst als auch von den Einzelheiten der konkreten Verordnungen.

Gegen die Ausschreibung wandten sich insgesamt elf Herstellerapotheken in Vergabeverfahren an die Vergabekammer Brandenburg und anschließend mit der Beschwerde an das Landessozialgericht in Potsdam. Parallel hierzu versuchten eine Apotheke sowie der Deutschte Apothekerverband und der Berliner Apotheker-Verein in einem Eilverfahren, der AOK die Ausschreibung generell verbieten zu lassen.

Mit jetzt veröffentlichten Beschlüssen vom 17. September 2010 hat der 1. Senat des Landessozialgerichts als Vergabesenat zwei Beschwerden zurückgewiesen (Aktenzeichen L 1 SF 98/10 B Verg und L 1 SF 110/10 B Verg). Er hat in den weiteren Beschlüssen vom 14. Oktober 2010 (L 1 SF 191/10 B Verg) bzw. 22. Oktober 2010 (L 1 SF 109/10 B Verg) der Krankenkasse gestattet, die Zuschläge zu erteilen.

Außerdem hat der 1. Senat die Anträge auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurückgewiesen (Beschlüsse vom 22. Oktober 2010, L 1 SF 214/10 B Verg und L 1 SF 217/10 B Verg). Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Apotheken hätten keinen Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Vergütungssystems, welches ihnen eine Bezahlung ihrer Leistungen bei Zubereitungen unabhängig von der Preisentwicklung der Medikamente garantiere. Der Gesetzgeber habe den Krankenkassen vielmehr mit Einführung von § 129 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) bewusst die Möglichkeit eingeräumt, das bisherige System auf Bundes- bzw. Landesebene vereinbarter fester Preise zu verlassen und auf diesem Gebiet die Preise dem freien Markt zu überlassen.

Die AOK sei zwar bei ihrer Ausschreibung zu Unrecht davon ausgegangen, dass die hergestellten Medikamente ausschließlich vom Arzt direkt bei der Apotheke gekauft würden. Daneben sei vielmehr auch der normale Beschaffungsweg erlaubt, bei dem der krankenversicherte Patient die ärztliche Verordnung bei der von ihm gewünschten Apotheke einreiche. Vergaberechtlich leide die Ausschreibung aber trotzdem nicht an einem zur Aufhebung der Ausschreibung zwingenden Fehler, da prognostiziert werden könne, dass die verordnenden Ärzte den von der AOK gewünschten Beschaffungsweg einhielten und damit dem Ausschreibungsgewinner für ihr Gebiet eine faktische Exklusivität ermöglichten.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2010 hat der 1. Senat zudem im Rahmen seiner Zuständigkeit für krankenversicherungsrechtliche Streitigkeiten entschieden, dass die antragstellenden Berufsverbände durch die Ausschreibung bereits nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnten (L 1 KR 166/10 B ER).

Sämtliche genannten Entscheidungen sind auf der Internetseite des Landessozialgerichts als Anlage zu dieser Pressemitteilung im Volltext abrufbar (www.lsg.berlin.brandenburg.de)

Info:

Bei den genannten Vergabeverfahren handelt es sich um einige der letzten bei den Landessozialgerichten überhaupt anhängigen. Diese sind erst seit 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) zur Entscheidung in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern ausschließlich zuständig geworden, soweit Ausschreibungen der Krankenkassen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung im Streit standen.

Nach dem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) soll die Zuständigkeit auch in derartigen Vergabesachen ab Januar 2011 (wieder) ausschließlich bei den Oberlandesgerichten liegen.

Für Rückfragen:

Axel Hutschenreuther, Tel.: 0331/9818-4148 Sebastian Pfistner, Tel.: 0331/9818-4133 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de