Nutzenbewertung von Arzneimitteln: Pharmaunternehmen unterliegt auch im Hauptsacheverfahren
- Erschienen am - PresemitteilungDer 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat heute die Klagen der Novartis Pharma GmbH im Streit mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) um die Nutzenbewertung der von Novartis vertriebenen Gliptine abgewiesen (Az.: L 7 KA 105/12 KL und L 7 KA 112/12 KL). Mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung“ vom 22. Dezember 2010 ist dem GBA auch die Aufgabe zugefallen, den Nutzen von bereits zugelassenen und im Verkehr befindlichen Arzneimitteln zu bewerten („Bestandsmarkt“, § 35a Abs. 6 SGB V). Im Zuge dessen beschloss der GBA im Juni 2012, eine Nutzenbewertung für von Novartis vertriebene Gliptine (zur Behandlung von Diabetes mellitus) zu veranlassen. Novartis wurde aufgefordert, spätestens bis zum 31. Dezember 2012 ein Dossier für die betroffenen Arzneimittel vorzulegen. Die hiergegen von Novartis eingelegten Widersprüche hielt der GBA für unstatthaft. Im Dezember 2012 hat Novartis zwei Klagen bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingereicht, die sich gegen die Veranlassung der Nutzenbewertung bzw. die Aufforderung zur Einreichung des Dossiers richten. Ein zugleich von Novartis angestrengtes Eilverfahren (L 7 KA 106/12 KL ER) hatte keinen Erfolg: Mit Beschluss vom 28. Februar 2013 lehnte der 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg den Eilantrag ab; Pressemitteilung vom 28. Februar 2013, http://www.lsg.berlin.brandenburg.de/sixcms/media.php/4417/pressemitteilung_28022013.pdf. Der Eilbeschluss, an dem erhebliches Medieninteresse bestand, ist abrufbar unter http://www.lsg.berlin.brandenburg.de/sixcms/media.php/4417/l7ka106-12kler.15939411.pdf.
Mit Urteilen vom heutigen Tage hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nun auch die Klagen abgewiesen. Ihr Ziel, die Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens zu verhindern, konnte die Klägerin nicht erreichen. Einen solchen Rechtsschutz sehe das Gesetz nicht vor. Der Gesetzgeber habe in § 35a Abs. 8 SGB V zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung Rechtsschutz im Verfahren der Nutzenbewertung grundsätzlich ausgeschlossen. Die Klägerin könne jedoch gegebenenfalls zeitlich verlagert Klage gegen die Festsetzung eines Erstattungs- bzw. eines Festbetrages erheben. Dies verletze sie auch nicht in ihren Grundrechten auf Berufsfreiheit bzw. effektiven Rechtsschutz, zumal nichts für eine willkürliche Einleitung des Nutzenbewertungsverfahrens durch den GBA ersichtlich sei.
-----------
GBA auch in weiteren Streitverfahren erfolgreich:
Am selben Sitzungstag war über die Klagen zweier anderer Pharmaunternehmen gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss zu entscheiden:
L 7 KA 3/10 KL, Streit um die Verordnungsfähigkeit von Soledum® Kapseln (Wirkstoff: Cineol) „als Standardtherapeutikum zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung; die Klage wurde abgewiesen, weil das Arzneimittel für die fragliche Indikation nicht als Therapiestandard gelten könne.
L 7 KA 113/10 KL, Streit um die Verordnungsfähigkeit von Otobacid® N Ohrentropfen (fixe Wirkstoffkombination aus einem Corticosteroid, einem Lokalanästhetikum und einem Antiseptikum) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung; auch diese Klage wurde abgewiesen. Die Zweckmäßigkeit dieses Arzneimittels zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges sei nicht belegt; Monopräparate wie Corticosteroide oder Antibiotika seien grundsätzlich vorzugswürdig.
-----------
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. In sämtlichen Streitsachen hat das Gericht die Revision zugelassen, die bei dem Bundessozialgericht eingelegt werden kann.
Der Volltext der Entscheidungen wird in wenigen Wochen auf der Internetseite des Landessozialgerichts als Anhang zu dieser Pressemitteilung veröffentlicht werden.
Für Rückfragen: RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331-9818, App. 3300/4148/4133 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de