Toolbar-Menü

Erfolgreiche Klagen auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

- Erschienen am 05.02.2014 - Presemitteilung 20140205

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat klagenden Bürgern innerhalb der letzten Monate in mehreren Fällen Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in sozialgerichtlichen Streitverfahren zugesprochen. Die Entscheidungen beruhen auf dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011. Alle vor den Sozialgerichten geführten Streitverfahren hatten für die Kläger erhebliche Bedeutung.

Eine Entschädigung von 3.600,- Euro sprach das Landessozialgericht einem Bürger zu, der vor dem Sozialgericht Cottbus acht Jahre auf eine Entscheidung hatte warten müssen (Urteil vom 4. September 2013, L 37 SF 65/12 EK U). Gegenstand des Streits mit der Unfallkasse war die Frage, ob eine Erkrankung (toxische Enzephalopathie) als Berufskrankheit einzuordnen ist. Das Landessozialgericht sah den Rechtsstreit als überdurchschnittlich komplex an, weil verschiedene Ermittlungen zum Sachverhalt durchzuführen waren. Unter eingehender Analyse des konkreten Verfahrensablaufs erkannte das Gericht jedoch eine Überlänge von drei Jahren.

Mit einem Urteil vom 20. Dezember 2013 (L 37 SF 82/12 EK R) sprach das Landessozialgericht einem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1.300,- Euro zu. In diesem vor dem Sozialgericht Berlin geführten Rechtsstreit vergingen vier Jahre und neun Monate vom Eingang der Klage bis zur Zustellung des Urteils. Gegenstand des Klageverfahrens war die Aufhebung der Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Diesen Rechtsstreit sah das Gericht als allenfalls durchschnittlich schwierig an. Gleichwohl sei es bei dem Sozialgericht zu zwei längeren Bearbeitungspausen gekommen, die die Zuerkennung einer Entschädigung rechtfertigten.

Der Wortlaut der beiden genannten Urteile des 37. Senats des Landessozialgerichts ist als Anlage zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Gerichts abrufbar: http://www.lsg.brandenburg.de

Der zuständige 37. Senat hat in beiden Entscheidungen betont, dass stark vom Einzelfall abhängig ist, ob ein Verfahren als „überlang“ anzusehen ist. Insgesamt hat der 37. Senat bislang sieben Urteile auf Entschädigungsklagen gefasst; dabei hatten die Kläger in vier Fällen Erfolg, dreimal kam es zur Klageabweisung.

Info:

Die Möglichkeit einer Entschädigung wegen zu lange dauernder Prozesse gibt es seit Geltung des „Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011: Die zentrale Vorschrift in § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes lautet:

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

Zuständig für die Entscheidung über Entschädigungsklagen ist im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit das Landessozialgericht in Potsdam als gemeinsames Obergericht der Länder Berlin und Brandenburg.

Der Vizepräsident des Landessozialgerichts, Herbert Oesterle, hatte in einer Pressemitteilung vom 23. Januar 2014 spürbaren Personalzuwachs für die vier brandenburgischen Sozialgerichte (Potsdam, Neuruppin, Frankfurt [Oder] und Cottbus) gefordert; angesichts der auf mangelnde Personalausstattung zurückzuführenden erheblichen Verfahrensdauer an den Sozialgerichten Brandenburgs (von den 35.079 am 1. Januar 2014 unerledigten Verfahren waren knapp sieben Prozent seit drei Jahren und länger in der ersten Instanz anhängig) sei zunehmend mit einem Erfolg von Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer zu rechnen. Link zur Pressemitteilung vom 23. Januar 2014: 

http://www.lsg.berlin.brandenburg.de/media_fast/4417/pressemitteilung%20230114.pdf

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat schon in einem Urteil vom 17. Dezember 2009 (Az. 30/09) darauf hingewiesen, dass von Verfassungs wegen eine Verpflichtung des Staates bestehe, sämtliche notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit Gerichtsverfahren zügig beendet werden können. Landesregierung und Haushaltsgesetzgeber hätten daher die Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch die Organisation der Gerichtsbarkeit und deren personelle und sächliche Ausstattung sicherzustellen. Besondere Bedeutung komme dabei der Personalbedarfsberechnung zu. Sie habe den Anspruch des Bürgers auf ein zügiges Gerichtsverfahren zu beachten.

Link zum Urteil:  http://www.verfassungsgericht.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=bb1.c.189603.de&template=bbo_mandant_verfassungsgericht_d

Für Rückfragen: RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331 - 9818 - 3300 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de