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Zwei aktuelle Entscheidungen zu „Hartz IV“- Eheähnliche Gemeinschaft frühestens nach einjährigem Zusammenleben Gericht macht Hausbesuch

- Erschienen am 26.01.2006 - Pressemitteilung 20060126

Paare, die seit weniger als einem Jahr zusammenleben, sind in der Regel noch keine eheähnliche Gemeinschaft und bilden deshalb auch keine Bedarfsgemeinschaft. Bei der Bedürftigkeitsprüfung zur Gewährung von Arbeitslosengeld II darf das Einkommen der beiden Partner nicht zusammengerechnet werden. Dies entschied jetzt das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen: L 5 B 1362/05 AS ER).

Der Antragsteller des Verfahrens bezog seit September 2005 Arbeitslosengeld II und lebte seit dieser Zeit auch mit seiner Partnerin kinderlos in einer gemeinsam angemieteten Wohnung in Berlin-Steglitz. Das Jobcenter rechnete das Einkommen der Partnerin sofort auf das Arbeitslosengeld II des Antragstellers an. Dieser wandte sich an das Sozialgericht Berlin mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung. Das Sozialgericht gab zunächst dem Jobcenter Recht. Mit seiner Beschwerde hatte der Antragsteller jetzt vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Erfolg. Das Gericht meinte, von einer „Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft“, die allein eine Einkommensanrechnung rechtfertige, könne noch nicht die Rede sein; es hob hervor, dass ein Zusammenwohnen nicht automatisch zu einer eheähnlichen Gemeinschaft führe. Ergebnis: Vorläufig muss das Jobcenter das Arbeitslosengeld II ungekürzt zahlen.

Dass Gerichte auch Hausbesuche machen können, erfuhr jetzt eine siebenköpfige, aus Polen stammende Familie deutscher Staatsangehörigkeit. Nachbarn hatten die Familie bei dem Jobcenter angezeigt mit dem Hinweis, die Familie, die für alle Mitglieder Arbeitslosengeld II bezog, lebe in Wirklichkeit ständig in Polen und kassiere in Berlin nur die Sozialleistungen. Daraufhin hatte das Jobcenter die Leistungsgewährung beendet. Mit einem Eilantrag wandte sich die Familie an das Sozialgericht Berlin und anschließend an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen: L 18 B 37/06 AS ER). Drei Berufsrichterinnen und –richter nahmen jetzt die Wohnung der Familie in Augenschein und hörten die Nachbarn als Zeugen. Ergebnis: Nur der Familienvater hatte vor Gericht Erfolg und bekommt vorläufig wieder Arbeitslosengeld II. Die übrigen Familienmitglieder hingegen hatten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihren Lebensmittelpunkt nicht in Berlin, sondern in Polen.

Info:

Die sogenannten Hartz IV-Gesetze, die auch das Arbeitslosengeld II betreffen, sind seit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt ist die Sozialgerichtsbarkeit für Klagen und Eilanträge aus diesem Bereich zuständig. In erster Instanz entscheidet das jeweilige Sozialgericht (im Raum Berlin-Brandenburg sind dies die Sozialgerichte Berlin, Frankfurt/Oder, Neuruppin, Potsdam und Cottbus), in zweiter Instanz entscheidet das Landessozialgericht (hier das gemeinsame Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Potsdam).

Für Rückfragen:

Dr. Konrad Kärcher, stellvertretender Pressesprecher Tel.: 0331 – 9818 – 4126 Mail: konrad.kaercher@lsg.brandenburg.de www.lsg.berlin.brandenburg.de