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Landessozialgericht kippt Festbetrag für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paliperidon (Arzneimittel Invega®)

- Erschienen am 25.07.2012 - Pressemitteilung 20120725

Am 18. Juni 2009 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) u. a. die Neubildung einer Festbetragsgruppe „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ der Stufe II nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V; „pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkung, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen“), bestehend aus den Wirkstoffen Risperidon und Paliperidon. Die Wirkstoffe haben als gemeinsames Anwendungsgebiet die Behandlung der Schizophrenie. Sie gehören zu den atypischen Antipsychotika. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschloss darauf aufbauend am 26. August 2009 mit Wirkung ab 1. November 2009 für diese Festbetragsgruppe einen Festbetrag von 50,43 €.

Die Klägerin, die in Deutschland das Arzneimittel Invega® (Wirkstoff Paliperidon) vertreibt, senkte die Preise nicht auf Festbetragsniveau ab. Der von ihr erzielte Umsatz brach ein. Sie erhob Klage vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam. Im Verlauf des Klageverfahrens änderte der G-BA den Gruppenbildungsbeschluss zweimal ab. Der Spitzenverband hat mit Beschluss vom 9. Mai 2012 die konkrete Festbetragsfestsetzung mit Wirkung ab 1. Juli 2012 angepasst.

Der 1. Senat des Landessozialgerichts hat mit Urteil vom 22. Juni 2012, welches den Beteiligten jetzt zugestellt worden ist, der Klage stattgegeben. Er hat die Festbetragsfestsetzungen für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paliperidon aufgehoben.

Zur Begründung führte der Senat aus, die den Festbetragsfestsetzungen zu Grunde liegenden Beschlüsse des beigeladenen G-BA litten an Beurteilungsfehlern und schieden deshalb als rechtmäßige Grundlage der Festbetragsfestsetzungen aus. Da dadurch der Wettbewerb zwischen den Arzneimittelherstellern verfälscht werde, verletzten die Festbetragsfestsetzungen die Klägerin in ihrem Teilhaberecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgebot) in Verbindung mit Art. 12 Grundgesetz (Berufsfreiheit).

Konkret habe der G-BA nicht - wie vom Gesetz gefordert - nachvollziehbar dargelegt, dass die Festbetragsgruppenbildung keine notwendigen Therapien einschränke. Er habe nämlich nicht ausreichend beachtet, dass Paliperidon nicht mehr nur zur Behandlung der Schizophrenie, sondern auch zur Behandlung psychotischer oder manischer Symptome bei schizoaffektiven Störungen zugelassen sei. Ferner sei nicht nachvollziehbar, dass der G-BA dem Wirkstoff Paliperidon im Vergleich zu Risperidon relevante Vorteile bei der Behandlung von Patienten mit Nierenfunktionsstörungen abgesprochen habe.

Aktenzeichen L 1 KR 296/09 KL

Der Volltext der Entscheidung ist abrufbar als Anlage zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg http://www.lsg.berlin.brandenburg.de/pressemitteilungen

Info:

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für die Klage erstinstanzlich zuständig aufgrund einer Spezialvorschrift im Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 29 Abs. 4 SGG. Gegen das Urteil steht den Beteiligten das Rechtsmittel der vom Landessozialgericht zugelassenen Revision beim Bundessozialgericht zu.

Die Rechtmäßigkeit von Festbeträgen für Arzneimittel hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wiederholt beschäftigt: Ebenfalls der 1. Senat hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 den Festbetrag für das Antidepressivum Escitalopram vorläufig ausgesetzt (L 1 KR 184/11 ER, Pressemitteilung vom 13. Dezember 2011). Mit Urteilen vom 16. Dezember 2009 und 24. Februar 2010 hat der 9. Senat den Festbetrag für den Cholesterinsenker Sortis® für rechtmäßig erklärt (L 9 KR 8/08 und L 9 KR 351/09, Pressemitteilungen vom 16. Dezember 2009 und 18. März 2010, inzwischen vom Bundessozialgericht bestätigt: Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R).

Für Rückfragen:

RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331/9818-3300, 4148, 4133 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.d