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Rechtstreit der BKK VBU mit dem Bundesversicherungsamt: Keine künstliche Befruchtung für Unverheiratete auf Kosten der Krankenkasse

- Erschienen am 13.06.2014 - Pressemitteilung 20140613

Der erste Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat heute über einen Streit der BKK Verkehrsbau Union mit dem Bundesversicherungsamt entschieden. Letzteres hatte eine von der Krankenkasse vorgenommene Satzungsänderung beanstandet, mit der diese auch unverheirateten Mitgliedern die künstliche Befruchtung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen wollte.

Das Gesetz (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V) sieht ausdrücklich vor, dass die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft umfassen, wenn (u.a.) die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind. In einer im Jahre 2012 beschlossenen Satzungsänderung wollte die BKK Verkehrsbau Union den Kreis der Begünstigten auf „versicherte Paare in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft“ erweitern. Diese Satzungsänderung wurde von dem Bundesversicherungsamt nicht genehmigt, weil nur der Gesetzgeber selbst von dem Kriterium der Ehe abrücken könne, nicht aber eine einzelne Krankenkasse durch Satzungsänderung.

Der 1. Senat hat die dagegen gerichtete Klage der BKK Verkehrsbau Union heute abgewiesen. Der Vorsitzende Richter hat in seiner mündlichen Urteilsbegründung hierfür im Wesentlichen folgende Gründe angeführt:

Zwar lasse das Gesetz es zu, dass eine Krankenkasse in ihrer Satzung zusätzliche Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität auch im Bereich der künstlichen Befruchtung nach Maßgabe des § 27a SGB V vorsehe. Der Gesetzgeber habe die Leistung der künstlichen Befruchtung aber aus sachlichen Gründen bewusst und ausdrücklich auf Eheleute beschränkt, was das Bundesverfassungsgericht für unbedenklich erklärt habe (Urteil vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03). Dieser gesetzliche Rahmen dürfe über eine Satzungsänderung einer Krankenkasse nicht zur Disposition gestellt werden.

Das Gericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Aktenzeichen: L 1 KR 435/12 KL

Das heute verkündete Urteil wird in seiner schriftlichen Fassung in Kürze als Anlage zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Landessozialgerichtsgerichts abrufbar sein: http://www.lsg.berlin.brandenburg.de

Info:

Das vom Gericht herangezogene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03 (Leitsatz: „Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft [künstliche Befruchtung] durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind.“), ist veröffentlicht unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20070228_1bvl000503.html

Die maßgeblichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) lauten:

§ 27a

(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,

2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,

3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind (Hervorhebung hier),

4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und

5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.

(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Absatz 1.

§ 11 Abs. 6

Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), (…) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

Für Rückfragen: RiLSG Axel Hutschenreuther, Pressesprecher, RiLSG Sebastian Pfistner, stellv. Pressesprecher, Tel.: 0331 - 9818 – 3300 / 4148 Mail: pressestelle@lsg.brandenburg.de